Colonia Carlos Pellegrini bis Villa General Belgrano

Wir hatten eine SMS erhalten, dass Claudias Mutter im Krankenhaus lag. Nur saßen wir mitten in den Iberá-Sümpfen und mussten erstmal weg. Wie der Teufel so will, regnete es bei der Abfahrt und es wurde immer schlimmer. Die Anfangs griffige Piste verwandelte sich unter den immer stärker werdenden Niederschlägen in eine matschige Angelegenheit und wir walzten langsam durch den Dreck. Als wir bei Mercedes den Asphalt erreichten, sah Glubschi aus wie Sau und es hörte zu regnen auf. Bei Goya wollten wir eine Fähre über den Rio Paraná nehmen, aber die Fähre war bereits seit zwei Stunden weg. Morgens um 9:00 Uhr kam die Fähre aus Reconquista an und abends um 16:00 Uhr fuhr sie zurück. Da wir nicht einen Tag hier warten wollten, fuhren wir über Esquina und Paraná nach Santa Fe. Über den Rio Paraná gibt es in diesem Gebiet nur zwei Brücken: eine in Corrientes und eine im 583 km davon entfernten Paraná.

Kurz hinter Esquina kamen wir in die berüchtigte Provinz "Entre Rios". Die dortige Polizei solle extrem korrupt sein und allen reichen Touristen an die Geldbörse wollen. Bei jeder Stadt eine Polizeikontrolle. Alles würde überprüft: Tempo 90-Aufkleber, weiß/rote Reflektoren am Koffer, zwei Warndreiecke, zwei Feuerlöscher und zur Not würde noch ein Leichensack gefordert, nur um 254 Pesos zu bekommen. Wir waren also auf alles gefasst. Kurz hinter der Provinzgrenze die erste Polizeikontrolle. Ausweis, Führerschein, Fahrzeugversicherung. Ich lächle freundlich und gebe ihm die gewünschten Papiere. Er schaut sich alles an, gibt mir alles zurück und wünscht uns noch höflich Buen Viaje (Gute Reise). Wie, das war es schon? Weiter ging es nach Paraná. Keine einzige Polizeikontrolle! Kurz vor der Provinzgrenze doch noch eine. Der Polizist macht sich nicht mal die Mühe uns anzuhalten und winkt uns gleich durch. Wo waren jetzt die korrupten Polizisten? Wir hatten keine gesehen! Unter den Reisenden werden anscheinend jede Menge dummer Gerüchte verbreitet. Wir hatten bis jetzt keinen getroffen, der Schwierigkeiten mit der Polizei hatte. Jeder erzählte nur von Leuten die Schwierigkeiten gehabt hätten.

Nach 1.030 km und zahlreichen Mautstellen auf der Strecke von Paraná nach Córdoba hatten wir es geschafft. Wir waren in Córdoba und wollten gleich wieder weg. Viel zu groß diese Stadt, um irgendetwas zu finden. Von einem anderen Reisenden hatten wir zuvor die Adresse eines Michelin-Händlers hier bekommen. Bei einer der Kontrollen in der Provinz Corrientes stand ein Polizeiwagen, der genau die gleichen Reifen wie wir hatte. Ich fragte den Polizisten, woher sie diese Reifen hätten und er meinte, die kämen aus Buenos Aires. Frohen Mutes fuhren wir daher zum Reifenhändler und wurden bitter enttäuscht. Die Reifen würden zwar für die Polizei und das Militär importiert, aber ansonsten gäbe es ein Importverbot. Vor einigen Wochen sei bereits ein Bekannter von uns hier gewesen und da hätten sie schon alles probiert. Sie könnten uns höchstens die Reifen mit einem anderen Profil runderneuern. Davon hielten wir nun wieder gar nichts! Ein weiterer Versuch bei einem Firestone-Händler brachte das gleiche Ergebnis. Unsere Reifengröße darf nicht nach Argentinien importiert werden. Völlig frustriert fuhren wir nach Villa General Belgrano, einem nahe gelegenen Touristenort, wo wir den Flug für Claudia nach Deutschland organisieren wollten.

Durch Empfehlung von anderen Reisenden kamen wir zum Campingplatz "La Florida". Dieser wurde von Ralf & Bettina aufgebaut und betrieben, zwei Hamburgern, die vor 16 Jahren nach Argentinien ausgewandert waren. Hier waren wir genau richtig! Ein schöner Platz und zwei liebe, hilfsbereite Besitzer, die sich um die Globetrotter kümmerten. Was immer man brauchte, sie wussten wo man es zuverlässig bekam. Ein Reisebüro, ein Mechaniker, ein Reifenhändler, ein Wohnmobilbauer, ein Versicherungsagent? Einfach Ralf & Bettina fragen ... hier werden Sie geholfen! Noch dazu sind die beiden echte Originale. Als ehemalige Gastronomen hatten sie eine Menge erlebt und Ralf erzählte gerne Episoden aus seinem Leben. Falls er jemals die Zeit findet, seine dreibändige Biografie zu schreiben, würde ich sie gerne lesen. Einfach unglaublich, was diesem Mann bisher widerfahren war. Das würde für drei Leben reichen! Kurz und gut, es war wie Camping mit Familienanschluss.

Ralf beim sonntäglichen Asado ... Wurst, Huhn, Fleisch und Gemüse bis zum Abwinken

Villa Alpina, 21. Oktober 2009

Heute durfte ich Ralf zu seiner kleinen Hütte in Villa Alpina begleiten. Villa Alpina, ein kleines Dorf mit nur 20 Einwohnern (inklusive Ralf & Bettina), war nur über eine gute Schotterpiste zu erreichen. Bis vor zwei Jahren hatte es nur einen holprigen Feldweg, der teilweise nur mit 4x4 befahrbar war. Hier gab es keinen Strom, aber ein Hostel und einen Kiosk. Als wir ankamen, stand sogar ein kleiner Reisebus dort. Die Gegend ist sehr beliebt für Trekking. Hinter dem Dorf ging es durch eine Furt, die nach stärkerem Regen nicht mehr passierbar ist, und weiter über einen ausgewaschenen, steinigen Weg zu Ralf & Bettinas kleiner Hütte. Die kleine Hütte entpuppte sich als kleines Anwesen mit Gästezimmer, separaten Duschen und WC's für Campinggäste und einer kleinen Gaststube für Ausflügler. In den letzten fünf Jahren hatte Ralf mit seinem alten Ford Pickup 80.000 Ziegel und sämtliches andere Baumaterial dort hinaufgefahren und in Eigenregie das Haus gebaut. Es entstand ohne Architekt, ohne Zimmermänner, ohne Maurer. Nur ein Elektriker und ein Tischler für Fenster und Türen bekamen Arbeit.

Auf dem Weg zu seinem Haus kommen wir an Häusern mit typisch spanischen Namen vorbei

Von seinem kleinen Altersruhesitz (mit Gästezimmer im Turm)...

...hat man eine phantastische Aussicht

Nebenan ein restauriertes Refugium und davor ein Stein unter dem vor 20 Jahren noch Menschen hausten

Eine herrliche Gegend zum Wandern

Wie ein Adlerhorst überragt die "Alpina Alm" das Tal

Tropendach mit Windabweiser und integrierter Stauraumbox, 20. Oktober bis 6. November 2009

Der Auftrag, 20. Oktober 2009

Als ich am 20. Oktober Claudia zum Flughafen nach Córdoba brachte, machten wir einen Halt bei "Gibert Car", die fast auf dem Weg lagen. Eigentlich wollte ich nur ein Tropendach mit einer Verlängerung, damit die Windschutzscheibe im Schatten liegt. Claudia meinte, da könnte doch noch eventuell ein Windabweiser drauf, damit Glubschi windschnittiger wird. Mit diesen Gedanken betrat ich das Büro des Wohnmobilbauers. Dort empfing mich der Juniorchef und kam raus zum Fahrzeug, damit ich ihm mit Händen und Füßen erklären konnte, was wir wollten. Nach einer Weile hatte er meine Gedanken verstanden und meinte, warum den Windabweiser nicht klappbar machen, dann hätten wir gleich noch etwas Stauraum auf dem Dach. Von der Idee war Claudia sofort begeistert, noch mehr Stauraum. Für noch mehr unnütze Dinge. Nicht dass wir zu wenig Stauraum hätten. Aber vielleicht kann man den Platz später wirklich mal brauchen. Wir überlegten nur kurz wegen dem Preis, für den wir schon fast eine Klimaanlage bekommen hätten. Dann stand unser Entschluss fest, das wollen wir haben. Der Juniorchef meinte, in einer Woche sei es fertig und er würde sich dann telefonisch melden.

Die Anprobe, 27./28. Oktober 2009

Am 26. Oktober erhielt ich wie zugesagt einen Anruf, dass ich morgen Nachmittag zur Anprobe vorbeikommen solle. Das Dach sei soweit fertig, nur noch nicht lackiert. Gespannt machte ich mich am Dienstag auf den Weg und überlegte wie es wohl aussieht. Als ich in die Werkstatt kam, fiel ich fast um. Vor mir stand ein zusammengestückeltes Etwas, das behelfsmäßig an einem Eisenrahmen befestigt war. Das konnte doch nicht ihr Ernst sein! War es aber. Sie hoben die Konstruktion auf das Dach und nichts passte. Der Rahmen war zu schmal, dafür zu tief, sodass die Halter nicht in die Regenrinne passten. Dann schnitten sie die Sonnenblende zurecht, aber es sah Scheiße aus. Jetzt war sie leider zu kurz für den Ausschnitt des Luftfilters, also wieder zusammenstückeln und den Luftfilter einpassen. Dann noch einen zusätzlichen Träger in den Rahmen heften und an den Seiten ein wenig anstückeln. So ging das den ganzen Nachmittag und auch noch den nächsten Vormittag. Wenigstens konnte ich auf dem Gelände der Firma ungestört übernachten und sie hatten sogar eine Dusche die ich benutzen durfte. Gegen Mittag meinten sie, jetzt wäre alles anprobiert und sie könnten ohne das Fahrzeug weiterarbeiten. Am Freitag würden sie sich wieder melden, um zu sagen wann es montiert werden könne.

Die Montage, 5./6. November 2009

Der Freitag verstrich und ich hörte nichts von "Gibert Car". Nachdem auch am Montag kein Anruf kam, rief ich am Dienstag an. Es hieß, alles sei fertig und werde gerade lackiert. Am Mittwoch könne ich kommen, dann werde alles montiert. Da ich dem Lack etwas mehr Zeit zum Trocknen geben wollte, fuhr ich erst am Donnerstag hin. Um den Verfall des Pesos auszunutzen, wollte ich das Geld erst am Donnerstag abheben. Das wäre fast ins Auge gegangen! In Villa General Belgrano sollte es angeblich drei Banken geben. Bei der Ersten wollte der Automat maximal ca. 60 Euro pro Abhebung hergeben, bei der Zweiten war der Automat gerade vor mir ausgefallen und die dritte Bank konnte ich nicht finden. So blieb mir nichts anderes übrig, als ohne Geld loszufahren. In Alta Gracia, einem größeren Ort auf dem Weg, wo ich zu Mittag essen wollte, sollte es wohl auch Banken geben. Gab es auch! In der Ersten wollte der Automat kein Geld hergeben, er mochte Visa nicht, aber in der Zweiten bekam ich endlich das Geld, was ich benötigte. Ich wollte noch gerne mehr haben, aber der Automat gab nichts mehr her. Wegen den Problemen mit den Geldautomaten und der langsamen Küche in dem Restaurant kam ich viel zu spät bei "Gibert Car" an und konnte nur die fertige Konstruktion bewundern. Die Außenseite war glatt wie ein Babypopo. Man konnte die einzelnen Stücke nur noch an der Innenseite erkennen, wo die Nähte mit GfK verstärkt waren. Ich war schwer beeindruckt, was für tolle Arbeit sie geleistet hatten. Auch die Lackierung war perfekt und die Farbe nahezu identisch mit dem Rest des Fahrzeuges.

Am nächsten Tag musste noch der Sonnenschutz in der richtigen Position angebracht und einige kleine Änderungen vorgenommen werden. Wie immer war das mit etwas Phantasie und einem kleinen Trennschleifer schnell erledigt. Bei jedem kleinen Detail das mir auffiel, kam sofort eine super Lösung, die sogleich umgesetzt wurde. Nie kam eine Diskussion auf, ob das zum Auftrag gehört oder nicht. Und auch der anfangs genannte Preis wurde nie in Frage gestellt. Ich war total begeistert von "Gibert Car" und kann die Firma jedem empfehlen, der Probleme mit seinem Wohnmobil hat! Wo ich schon mal so gute Leute zur Hand hatte, fragte ich nach einer Lösung für den Halter des Computermonitors im Fahrerhaus. Durch die vielen Rüttelpisten wurde ein kleines aber wichtiges Gewinde zerstört und ich hatte die dazugehörende Mutter schon mehrmals draufgeklebt. Aber immer wieder fiel die Mutter ab, weil das Teil so klein war. Nach längerem Überlegen schnitten sie das kaputte Gewinde ab und schweißten eine größere Mutter an die Schiene am Monitor. Damit war die Sache erledigt und eine komplett neue Konstruktion, wie sie mir vorschwebte, nicht nötig. Wirklich Klasse! Am Nachmittag war alles erledigt und ich konnte mit neuem Dachträger zurück zum Campingplatz fahren.

Die Leute von "Gibert Car" in Córdoba, die an dem Dach gearbeitet haben

Glubschi trägt jetzt einen schicken Hut...

...der sogar etwas Stauraum bietet

Villa General Belgrano, 2. Dezember 2009

Um 3:54 Uhr in der Früh fing es an. Erst ein Klopfer hier auf dem Dach, dann ein Klopfer dort auf dem Dach. Ehe ich mich versah, klang es, als säße auf dem Dach ein durchgeknallter Paläontologe, der mit einem Geologenhammer einen versteinerten Dinosaurier verfolgte. Als ich richtig wach war, sah ich, dass es draußen hagelte. Aber wie! Etwa 15 mm große Hagelkörner fegten vom Himmel. In wenigen Sekunden lag auf unserer Dachluke eine dicke Schicht crushed ice und hinter mir floss ein kleiner Bach, wo sonst ein Weg war. Ich war richtig froh, dass ich in einem stabilen Häuschen lag. Die armen Leute in dem Zelt. Am Morgen konnte man erst richtig die Bescherung sehen. Ein Pavillon lag zerfetzt am Boden, den Laubbäumen fehlten einige Blätter und die Nadelbäume hatte fast keine Zapfen mehr an den Ästen hängen. Das ging noch mal glimpflich ab. Dafür sah Glubschi aus wie Sau. Über und über bedeckt mit Nadeln, obwohl er nicht direkt unter Bäumen stand.

Noch um 11:00 Uhr lagen kleine Haufen mit Hagelkörnern herum

Der Boden war übersät mit den kleinen runden Zapfen der Nadelbäume

Villa General Belgrano, 24. Dezember 2009

Schon das dritte Weihnachten, seit wir unterwegs sind. Dieses Mal völlig anders! Palmen um uns herum und die letzten Tage immer über 30°, unterbrochen von heftigen Gewittern. Bettina & Ralf hatten extra ein kleines Lämmlein frisch geschlachtet und einen künstlichen Weihnachtsbaum aufgestellt und schön dekoriert. Während das arme Lämmlein auf dem Grill bei kleiner Glut arg schwitzte, fingen wir mit Würsten und Salaten an. Wie immer hatte Ralf zu großzügig kalkuliert und es blieben noch Reste übrig. Nur die gegrillte Ananas mit Dulce de Leche ließ sich keiner entgehen. Ein richtig schönes Fest, fast wie zu Hause. Ganz, ganz vielen Dank an Bettina & Ralf, bei denen wir uns wie zu Hause fühlten.

Da liegt das arme Lamm und schwitzt über der Glut

Ein Weihnachtsbaum mitten im Hochsommer, schon etwas seltsam