El Bolson bis Embalse (Stausee) Colbún

Die Nächte wurden mittlerweile empfindlich kühl und auch die Sonne wanderte tagsüber nur flach über den Horizont. Mit einem Wort, der Herbst kam in den Süden Argentiniens. Für uns das Signal ganz schnell in den Norden zu ziehen. Da wir in dieser Gegend, sowohl auf der chilenischen, als auch auf der argentinischen Seite, alles gesehen hatten, was wir wollten, konnten wir jetzt ganz entspannt die komplett geteerte Ruta 40 in den Norden nehmen. Unser nächstes Ziel war Santiago de Chile. Dort hatten wir vor über drei Monaten neue Reifen bestellt. Die angekündigten 90 Tage bis zur Lieferung waren verstrichen und die Firma ließ bisher nichts von sich hören. Wollen wir mal hoffen, dass die letzten Erdbeben in Chile die Firma verschonten, sie nach unseren Mails aktiv wurden und die Reifen kommen, bis wir in Santiago sind. Wir sind halt in Südamerika!

San Carlos de Bariloche, 7. April 2010

Bis wir nach der langen Standzeit wieder alles verräumt, eingekauft, Glubschi aufgetankt und zu Mittag gegessen hatten, war es bereits 15:25 Uhr, bevor wir loskamen. Trotzdem schafften wir locker die 134 km bis San Carlos de Bariloche. Wie schon letztes Mal, stellten wir uns einige Kilometer außerhalb des Ortes an einen kleinen Bach und genossen den spektakulären Sonnenuntergang.

Die Sonnenuntergänge in Patagonien können richtig spektakulär sein

San Martin de los Andes, 8. bis 12. April 2010

Nachdem wir in Bariloche erledigt hatten, was wir erledigen wollten, fuhren wir weiter auf der Ruta 40. Wir erwarteten öde Pampa-Landschaft und wurden positiv überrascht. Die Strecke führte immer entlang des Rio Limay durch ein wunderschönes Tal bis zur Embalse Alicura, einem riesigen, lang gezogenen Stausee. Das Flusstal war auch unter dem Namen Valle Encantado bekannt und laufend standen Autos am Straßenrand und Angler im Fluss. Hier hätte es einen Stellplatz schöner als den anderen gegeben und wir fuhren leider nur daran vorbei, weil wir Strecke machen mussten. Als wir dann einen Stellplatz suchten, war es wie immer: Zäune, Zäune, überall nur Zäune. So fuhren wir bis San Martin de los Andes, das wir sowieso nochmals besuchen wollten, da letztes Mal nur schlechtes Wetter war und wir den netten Ort unbedingt einmal zu Fuß erkunden wollten. Dieses Mal hatten wir Glück mit dem Wetter und bei unseren Spaziergängen im Ort fanden wir den Ort richtig schön, wenn auch sehr touristisch. Zum Glück war es schon weit außerhalb der Saison und dem entsprechend wenig los.

Unseres Erachtens eine der schönsten Stellen im Valle Encantado

Malalcahuello, 14. bis 16. April 2010

Weiter ging es die Ruta 40 in den Norden. Etwa 150 km vor Zapala mussten wir bei einer Straßensperre der Polizei anhalten. Die Polizisten sahen schon bedrohlich aus, mit ihren kugelsicheren Westen und umgehängten Sturmgewehren bzw. Pump-Guns. Doch ausnahmsweise wollten sie keine Papiere sehen, sondern uns warnen: in Zapala wäre ein Raubüberfall gewesen und die drei Täter seien auf der Flucht. Wir sollten auf keinen Fall anhalten oder gar Leute mitnehmen! Als wir Zapala näher kamen, fragten wir uns, was diese Sperre wohl sollte? Alle paar Kilometer verschwanden kleine Pisten im Nirgendwo. Da müssten die Räuber doch reichlich blöd sein, um auf den kontrollierten Straßen zu fliehen. Wir hatten jedoch ein ungutes Gefühl bei dem Gedanken, in der Umgebung von Zapala einfach frei zu stehen. Die Gegend war topfeben und es gab nichts, hinter dem sich Glubschi hätte verstecken können. Lieber fuhren wir einen kleinen Umweg zum Nationalpark Laguna Blanca und stellten uns auf den kostenlosen Campingplatz direkt neben den Parkwächtern. Dort fühlten wir uns nicht nur sicher, sondern standen auch an einem wunderschönen Platz.

Sonnenuntergang an der Laguna Blanca...

...eigentlich ein schönes Fleckchen in 1.280 m Höhe, wenn es nur nicht so kühl wäre

Am nächsten Tag passierten wir die Grenze nach Chile. Der Kühlschrank war schon reichlich leer und als Lockvogel hatten wir dieses Mal drei alte, schrumplige Äpfel. Hätten wir geahnt, was auf uns zukommt, hätten wir die Äpfel lieber gleich gegessen. Die Ausreise aus Argentinien lief völlig problemlos und in einer halben Stunde war alles erledigt. Auf der anderen Seite des landschaftlich schönen Paso de Pino Hachado warteten schon die chilenischen Grenzer auf uns. Die Einreise nach Chile war ebenso problemlos, bis die SAG ins Spiel kam. Die Kontrolle war nicht allzu gründlich und wie erwartet stürzte sich der Beamte sofort auf die Äpfel. Doch das war nicht das Ende, das Drama begann jetzt erst. Der SAG-Beamte bat mich, meinen Ausweis zu holen und ihm durch das Abfertigungsgebäude zu folgen. Vorbei an irritiert blickenden Polizisten und Zöllnern brachte er mich zu seinem Büro und setzte sich hinter seinen Computer. Klick, klick ... falsches Programm ... klick, klick, klick ... das sah schon besser aus. Tip, tip, tip, tip ... meine Vornamen ... tip, tip, tip ... nein, mein Nachname ist nicht DEUTSCH, das ist meine Nationalität. Er entfernte sich immer weiter von seinem Monitor, bis irgendwann die Arme zu kurz waren, um die Tastatur zu erreichen. Er bräuchte dringend seine Brille, nur lag die leider zu Hause. Trotzdem kämpfte er sich tapfer durch das Formular auf dem Bildschirm. Irgendwann waren alle Felder ausgefüllt und der Drucker sprang an. Eine Bescheinigung über die Beschlagnahme von Lebensmitteln kam heraus und noch eine Bescheinigung über die Vernichtung von beschlagnahmten Material. Alles in doppelter Ausfertigung und ordentlich abgestempelt und unterschrieben. Das war's dachte ich, doch von wegen. Jetzt holte er eine kleine Plastiktüte, packte die Äpfel ein und sprühte reichlich roten Autolack darauf. Damit ich sähe, dass die Äpfel vernichtet und nicht von ihnen gegessen würden.

Kurz vor Dunkelheit kamen wir in der Hosteria La Suizandina an, wo wir vor ziemlich genau einem Jahr schon einmal waren. Dort hatte sich einiges geändert, die damaligen Geschäftsführer, ein schweizer Paar mit zwei kleinen Kindern, hatten inzwischen aufgegeben und jetzt wurde der Betrieb von zwei jungen Mädchen, eine Schweizerin und eine Chilenin, geleitet. Sonst war alles beim Alten geblieben, das Frühstückbuffet war reichhaltig, das Abendessen schmeckte lecker und die Preise lagen weiterhin hoch. Aber wir wollten einfach ein paar Tage ein klein wenig Luxus genießen und mal wieder Bücher tauschen. In letzter Zeit hatten wir nicht viele Reisende getroffen und Claudia hatte schon fast alle Bücher gelesen.

Embalse Colbún, 18. bis 22. April 2010

Allmählich näherten wir uns dem Gebiet des Erdbebens vom 27. Februar in Concepcion. Auf der PanAm fuhren wir bis Los Angeles und weiter durch das Hinterland bis Chillan, wo wir wieder auf die PanAm trafen und bis Talca darauf blieben. Je weiter wir nach Norden kamen, und uns somit von Concepcion entfernten, desto größer wurden die Schäden. So kam es uns jedenfalls vor. Südlich von Los Angeles gab es nur geringe Schäden an der PanAm, während nördlich von Chillan teilweise Brücken eingestürzt und Stücke der Fahrspur abgesenkt waren. Die kleine Landstraße durch das Hinterland hatte komischerweise so gut wie keine Schäden. So war es auch mit den Häusern, einige sahen wie frisch aus dem Ei gepellt aus und bei anderen lag das Dach auf den Grundmauern, weil die Wände umgekippt waren. Was wir so sahen, kamen die meisten Häuser ohne Schäden davon, nur in Talca waren eine komplette Häuserzeile ausradiert und bei vielen Häusern die Dachziegel vom Dach gerüttelt. Wirklich beeindruckte uns, dass auf der PanAm nach nur sieben Wochen schon kilometerweise neue Fahrbahnen asphaltiert und die Brücken, zumindest für einspurigen Verkehr, in Stand gesetzt waren. In Deutschland würde man nach so einer Katastrophe wahrscheinlich noch immer diskutieren, planen, jammern dass kein Geld da wäre und viele neue Verkehrsschilder aufstellen mit "Höchstgeschwindigkeit 10" oder "Durchfahrt gesperrt".

Gegen Abend kamen wir bei der Embalse Colbún an und waren sehr erstaunt. Es war kaum noch Wasser da! Wo im Januar noch blaues Wasser glitzerte, gab es jetzt verdörrtes Gras, trockene Erde und Steine. Unser Stellplatz, letztes Mal noch dicht am Wasser, lag nun etwa einen Kilometer entfernt vom Ufer. Was war hier geschehen? Am nächsten Tag wanderten wir entlang des Sees und sahen seltsame Dinge, einen kleinen Kanal der sich von Ost nach West zog und ein Netz gut präparierter Pisten. Von einem Einheimischen erfuhren wir einige Tage später, dass das normal und letztes Jahr noch weniger Wasser im See gewesen sei. Im Winter und Frühjahr fülle sich der See durch Regen und Schneeschmelze und im Sommer und Herbst würde das Wasser zur Stromerzeugung genutzt.

So hatten wir den Stausee vom 12. Januar in Erinnerung und deshalb kamen wir wieder her...

...doch inzwischen gab es hier kein Wasser mehr, nur mehr Steine und ein halb so großer See waren übrig

Wir konnten es kaum glauben, dort schimmerte im Sommer noch blaues Wasser...

...jetzt liefen hier Straßen und Kanäle...

...über Kilometer, von einem Ende des Sees zum Anderen...

...bis die Reste des Sees erreicht wurden

Im Lauf der Tage entstand ein kleiner Hügel aus ausgepressten Tomaten neben Glubschi