Algarrobo bis Villa General Belgrano

Nach neun Wochen in Algarrobo kam endlich die erlösende Nachricht: die Reifen waren im Lager und konnten von uns abgeholt werden. So fuhren wir zum Reifenhändler und tatsächlich, sie rollten die bestellten Reifen aus der Halle. Nagelneue Michelin XZL in 9.00 R16, hergestellt in Kanada und mit 100 kg höherer Tragfähigkeit. Wenn ich den Händler richtig verstanden habe, wurden die Reifen von Kanada zur Logistikzentrale Michelins nach Belgien verschifft und von dort nach Chile. Da wäre es wohl schneller gegangen, wenn sie die Reifen per LKW von Kanada nach Chile transportiert hätten. Wie auch immer, wir freuten uns sehr, dass Glubschi endlich neue Schuhe hatte. Kaum waren die Reifen montiert, hatte der Händler eine brillante Idee: wir müssten die alten Reifen mitnehmen, sie könnten sie nicht entsorgen. Ein Gespräch mit dem Chef klärte die Lage schnell und plötzlich verschwanden die alten Reifen. Weil wir so lange warten mussten, bekamen wir wenigstens das Wuchten der Räder umsonst. Und umsonst war es wirklich, als wir vom Hof fuhren, fing das Lenkrand zwischen 55 und 65 km/h kräftig an zu vibrieren. Wir fuhren trotzdem weiter zu SIGDO-TEK, um die per E-Mail bestellten Öl- und Luftfilter abzuholen. Dort wusste von einer Bestellung Keiner was, die Ölfilter hatten sie reichlich auf Lager, nur von den Luftfiltern keine Spur. Doch bis Montag würden sie uns die besorgen können. Also wieder einmal warten.

Santiago, 1. bis 4. Juli 2010

Das Wochenende verbrachten wir ganz idyllisch an einer Tankstelle am Rande Santiagos. Was nicht so schlecht war, da am Samstag Deutschland gegen Argentinien spielte und wir so live bewundern konnten, wie Deutschland die Argentinier 4:0 vom Platz putzten. Obwohl wir uns freuten, beunruhigte uns das auch ein klein wenig, da wir in ein paar Tagen nach Argentinien ausreisen müssen. Hoffentlich lassen die uns noch in ihr Land hinein. Am Montag fuhren wir zurück zu SIGDO-TEK und kauften die Ölfilter. Die Luftfilter waren natürlich nicht da, aber der Verkäufer schickte uns zu einem Laden, wo wir zwei originale Luftfilter zum Preis von einem bekamen, natürlich ohne Rechnung.

Coquimbo, 6. bis 7. Juli 2010

An der Tankstelle lernten wir einen Mann kennen, der meinte, dass etwas nördlich von La Serena gerade Desierto Florido wäre. Etwa alle vier bis fünf Jahre regnet es wegen des El Niño in der Wüste und lässt diese blühen. Ein seltenes Spektakel, das massenhaft Touristen anzieht. Da wir nur 600 km entfernt waren, wollten wir uns dieses phantastische Schauspiel keinesfalls entgehen lassen. Auf dem Weg nach Norden stürmte und regnete es, wie gut, dass es in der Halbwüste so gut wie nie regnet. Damit wir schneller vorankamen, fuhren wir die ganze Strecke auf der PanAm und das war eine weise Entscheidung. So bekamen wir das Abschleppen wenigstens kostenlos. Bei Km 370 (Höhe Ovalle) füllten wir unseren fast leeren Tank auf und kamen dann noch genau bis Km 420. Den letzten Hügel krochen wir im Schritttempo hinauf und neben einer Notrufsäule war dann Schluss. In strömendem Regen las ich die Fehlercodes des Motors aus und betrachtete den Tankinhalt. Dann stand fest, der Tank enthielt mehr Benzin als Diesel! Bei der Tankstelle kam aus der Diesel-Zapfsäule ein Benzin-Diesel-Gemisch und das schmeckte Glubschi so gar nicht.

So standen wir im Regen und warteten auf den Abschleppwagen. Schon nach 15 Minuten kam Einer, eine Spielzeugausführung, die uns aufladen wollte. Der Fahrer sagte, 4 to seien kein Problem. Als ich ihm sagte wir wögen 5,3 to, schluckte er und meinte, man könne es ja versuchen. Also die Ladefläche abgekippt und Glubschi mit der Winsch hinaufgezogen. Als er die Ladefläche wieder waagerecht stellen wollte, versagte auf halbem Weg die Hydraulik. Glubschi war doch zu schwer. Der Fahrer funkte die Zentrale an und wir mussten eine Stunde warten, bis uns ein anderer Wagen mit einer Stange bis Coquimbo schleppte. Dort hängten sie uns bei der ersten Tankstelle ab und ließen uns einfach halb in der Einfahrt stehen. Dort standen wir jetzt ziemlich hilflos, als es zu schütten anfing, obwohl es hier fast nie regnet. Plötzlich tauchte der Chef der Tankstelle auf, fragte nach unseren Problemen und zog uns mit seinem Wagen auf einen Parkplatz. Für den nächsten Morgen wollte er einen Mechaniker besorgen, der uns helfen würde. Vorerst ging erstmal nichts mehr und wir hatten weder einen Motor noch eine Heizung. Wenn das kein krönender Abschluss unseres 1.000sten Reisetages war? Zumindest werden wir ihn nicht vergessen!

Am nächsten Morgen war tatsächlich ein Mechaniker da, zwar nicht um 9:00 Uhr wie angekündigt, aber immerhin schon um 11:00 Uhr. Gemeinsam ließen wir 150 l aus dem Tank ab und füllten den Inhalt in kleine 25 l Eimer. Was für ein Bild, 6 Eimer mit Benzin-Diesel-Gemisch. Nachdem zusätzlich der Vorfilter geleert, das Kraftstoffsystem gespült und 20 Liter echter kolumbianischer Diesel getankt waren, versuchten wir den Motor zu starten. Er sprang sofort an, drehte aber nur widerwillig hoch und die Warnleuchte blinkte sofort wieder. Also musste doch eine Werkstatt her, die mit den neumodischen Common-Rail-alles-voll-Computer-Motoren umgehen konnte. Das war nicht so einfach, obwohl wir in Chile und nahe einer größeren Stadt waren. Die Leute von der Tankstelle telefonierten den ganzen Nachmittag herum, bis sie eine IVECO-Werkstatt im zehn Kilometer entfernten La Serena fanden. Dort sollten wir Morgen in der Früh hinfahren. Währenddessen machten wir bei der Polizei eine Anzeige, damit wir etwas in der Hand hatten, falls wir es nicht rechtzeitig zur Grenze schafften, schließlich hatten wir nur noch sechs Tage Aufenthaltserlaubnis in Chile.

Auf dem Weg nach La Serena ist alles grün, wo eigentlich Halbwüste sein sollte

Santiago, 8. bis 9. Juli 2010

Die Leute von der Tankstelle (Terpel in Coquimbo) waren total süß! Als wir zahlen wollten, meinten sie, dass sie solche Arbeiten nicht im Angebot und es nur für uns gemacht hätten. Außerdem wären sie eine Service-Station und würden den Begriff auch Ernst nehmen, zumal wir ja Ausländer seien. Zu guter Letzt brachten sie uns sogar noch bis zum IVECO-Händler, damit sie uns schleppen könnten, falls wir liegen geblieben wären. Der Mechaniker dort konnte uns leider nicht weiterhelfen, er hatte nicht das richtige Diagnosegerät für unseren Motor. Er machte aber eine Probefahrt und stellte fest, dass der Motor keinen größeren Schaden hatte und scheinbar im Notprogramm lief. Eine richtige Diagnose könne nur in Santiago erfolgen. Dafür müsste das Auto auf einen Lastwagen geladen und transportiert werden, für 350.000 Peso (etwa 530 Euro). Als ich fragte, ob wir nicht selber fahren könnten, rief er bei SIGDO-TEK in Santiago an und schilderte dem Chef der Werkstatt das Problem. Der meinte, wir könnten selber fahren, aber langsam. Schnell ging sowieso nicht, bergauf schlichen wir mit 30 km/h dahin. Und die Ruta 5 zwischen La Serena und Santiago besteht fast nur aus bergauf und bergab. Bevor wir losfuhren, wollten wir bezahlen und wieder das Gleiche, der IVECO-Händler wollte ebenfalls kein Geld. Spät abends kamen wir total erschöpft in Santiago an.

Am Freitag, pünktlich um 9:15 Uhr, standen wir wieder bei SIGDO-TEK in Santiago, wo wir bereits am Montag waren, um die Ölfilter abzuholen. Dieses Mal erwartete uns bereits der Chef der Werkstatt, der schon wusste, um was es ging. Als erstes stöpselte er das passende Diagnosegerät an Glubschis Motor an und entdeckte sofort, dass der Ladedrucksensor kaputt war. Für diese einfache Diagnose mussten wir über 500 km fahren. So ist das halt, wenn man einen Motor hat, von dem es in ganz Chile nur 1.200 Stück gibt! Dann ging er ins Lager und fand genau diesen Sensor, den Einzigen, den sie noch hatten. Der Sensor war in einer Minute gewechselt und schon schnurrte Glubschi wie eine Katze und die Kontrollleuchte war aus. Trotzdem bestand er auf einer ausgiebigen Probefahrt, bei der er mit seinem Notebook auf dem Beifahrersitz saß und während der Fahrt alle Sensorwerte kontrollierte. Das ging noch mal glimpflich ab, wir wollten besser nicht darüber nachdenken, wie das in Bolivien ausgegangen wäre. Nach der Probefahrt meinte der Chef wir wären fertig und könnten fahren und wünschte uns eine gute Reise. Auf meinen Einwand, wir müssten noch schnell bezahlen, antwortete er nur, das wäre schon in Ordnung. Als ich fragte, was mit dem Sensor wäre, der immerhin 78.000 Peso (etwa 120 Euro) kostete, bestand er darauf, dass es so passt und er froh sei, dass er uns helfen konnte. Wir waren absolut sprachlos und total gerührt! Wenigstens eine Flasche Wein nahm er als kleines Dankeschön von uns an.

Ich kann nur sagen, wir lieben die Chilenen, die wir in den letzten Tagen kennen lernen durften. Die waren so hilfsbereit und haben sich ein Bein für uns ausgerissen. Allerdings nicht bei Copec. Die waren generell an nichts Schuld. Laut Computer hatten wir Diesel getankt und auch bekommen, denn jede Menge Andere hätten auch davon getankt und keiner hätte sich beschwert. Außerdem könnten wir nicht beweisen, dass das Problem von da käme. Wir hätten ja schon Benzin im Tank haben können. Schon klar, wir hatten einen Tank voll Benzin verfahren und dann randvoll mit Diesel aufgefüllt und das hat Glubschi nicht mehr geschmeckt. Und überhaupt sollten wir doch erstmal Klagen, beweisen könnten wir eh nichts. Erstattung gäbe es von Copec nur, wenn der Tankwart nachweislich Benzin statt Diesel getankt hätte. Wir wussten jetzt, dass nicht unbedingt Diesel drin sein muss, wenn Diesel draufsteht. Nur schade, dass wir die blühende Wüste nicht mehr gesehen hatten. Aber all die positiven Erlebnisse mit den netten Menschen ließen uns auch das verkraften.

Anreise Villa General Belgrano

Die Reise nach Villa General Belgrano verlief fast problemlos. Wir nahmen wieder den kürzesten Weg über den Paso Cristo Redentor in Richtung Mendoza. Kurz vor dem Pass versperrte die Polizei den Weg, man durfte nur mit Schneeketten hinüber. Wir hatten neue Reifen mit groben Stollen und Vierradantrieb und so durften wir auch durch. Weshalb die so einen Stress machten, erschloss sich uns nicht, auf dem Pass lagen maximal zwei Zentimeter Schnee. Für die LKWs hingegen war hier Ende, die stauten sich sowohl auf der chilenischen wie der argentinischen Seite. Vielleicht erwarteten die heftigen Schneefall in den Anden? Erst kurz vor Villa General Belgrano gab es wieder Probleme mit Schnee, die letzten 24 km durch die Hügel bei Villa La Merced waren gesperrt. Wir mussten einen größeren Umweg fahren, bevor wir am Campingplatz von Ralf & Bettina ankamen, den wir vor 6½ Monaten verlassen hatten und wo wir wie immer herzlichst empfangen wurden.

Die Cuesta Chacabuco, auf der man den mautpflichtigen Tunnel zwischen Santiago und Los Andes umfahren kann...

...im Hintergrund die schneebedeckten Anden

Los Andes unter einer Dunstglocke, eingekesselt von den Anden...

...auf den Hügeln strahlt der blaue Himmel

Kurz hinter der Grenze zeigen sich auf argentinischer Seite erste Sonnenstrahlen...

...und bei Uspallata ist von dem schlechten Wetter nichts mehr zu sehen

Glubschi allein in der Pampa del Leoncito auf 2.100 m Höhe...

...umgeben von der Sierra de Ansilta

Bei Calingasta gab es lauter kleine Minen, die den Abraum einfach den Abhang runterkippten...

...da können sie noch viel buddeln und die Reste runterkippen

Der Rio San Juan formt eine phantastische Landschaft

Bei Villa del Dique finden wir unseren letzten Stellplatz...

...mit Aussicht auf die Embalse del Rio Tercero

Villa General Belgrano, 16. bis 28. Juli 2010

Unsere Zeit in Südamerika näherte sich dem vorläufigen Ende. Nach 18 Monaten in Argentinien, Chile, Bolivien und Brasilien mussten wir für ein paar Monate zurück nach Deutschland. Glubschi muss derweil bei Ralf & Bettina bleiben, bis wir wieder zurück kommen und zu unserer nächsten Etappe aufbrechen. Wir sind dankbar, dass Südamerika bisher so viele schöne Eindrücke bei uns hinterlassen hat und wir unheimlich viele nette Menschen kennen lernen durften. Wir kommen sehr gerne wieder! Jetzt freuen wir uns erstmal wieder auf unsere Familie, Freunde, Bekannte und wie soll es anders sein, auch auf gutes deutsches Brot, Wurst und natürlich die Wärme, die wir leider die letzte Zeit vermissen mussten.