Termas del Arapey bis Hohenau

Für den Weg nach Paraguay war nichts weiter geplant. Einfach starten und die 595 km bis Hohenau so schnell wie möglich hinter mich bringen. Eigentlich ein einfacher Plan und es begann auch alles wie vorgesehen. Bei Bella Union verließ ich Uruguay und fuhr knappe 80 km durch Brasilien bis Uruguaiana, wo ich ein wenig durch den Ort irrte, da die Brasilianer sich wenig um eine Ausschilderung der Strecke kümmerten. Ich sah zwar die Brücke über den Rio Uruguay, konnte aber nicht hin, da ein Zaun den Weg versperrte. Nach einigem Kreisen fand ich endlich den Zubringer zur Brücke und kurz danach befand ich mich wieder in Argentinien.

Dort nahm ich die Ruta 14 und fuhr friedlich durch endloses, flaches Farmland. Alle 50 oder 60 Kilometer lag ein kleines Dorf am Wegesrand, ansonsten war die Strecke ziemlich ereignislos. Am späten Nachmittag überlegte ich, wie weit ich noch fahren wollte, als Glubschi mir die Entscheidung abnahm. Von der Hinterachse vernahm ich kurz ein Rattern und Klackern und Knirschen, dann war Ruhe. Der Motor schnurrte, die Gänge ließen sich butterweich schalten, nur fahren wollte er nicht mehr. Ein Blick unter den Boden brachte die Erleuchtung, die Kardanwelle zum Verteilergetriebe drehte sich, die Kardanwelle zum hinteren Differential drehte sich, nur die Räder standen still. Das konnte nur eines bedeuten, das hintere Differential hatte seinen Geist aufgegeben. Klasse! Erst 80.000 km alt und schon kaputt! Was hatte Bremach dieses mal wieder verpfuscht? Diese Italiener sind einfach zu blöd, ein Fahrzeug zu konstruieren und/oder es richtig zu bauen. Da kaufte ich für viel Geld ein neues Fahrzeug, damit ich keine Probleme bekommen würde, und dieser Bremach machte eigentlich nur Probleme!

Wenigstens passierte es auf einer relativ stark befahrenen Straße, nur zwei Kilometer von der nächsten Ortschaft entfernt. So musste ich nur ein paar Minuten warten, bis jemand anhielt und die Polizei anrief, die wiederum einen Abschleppdienst benachrichtigte. Keine fünfzig Minuten später ließ sich Glubschi mal wieder ziehen, für die letzten Kilometer zu einer kleinen Werkstatt in Alvear.

Alvear, 31. Mai bis 2. Juni 2011

Kaum an der Werkstatt angekommen, sprang der Fahrer des Abschleppdienstes aus dem Auto und lag auch schon unter Glubschi, wo er das Differential zerlegte. Er war nämlich in Personalunion: Besitzer und Fahrer des Abschleppdienstes sowie Besitzer und Mechaniker der Werkstatt. Da das ziemlich viel Arbeit für eine Person bedeutete, hatte er noch zwei Jungs, die ihm dabei halfen. Die bauten inzwischen die Antriebswellen aus und lagen plötzlich ebenfalls unter Glubschi, wo es dann ziemlich voll wurde. Nachdem das Differential geöffnet war, stand das Problem sofort fest: überall lagen Reste von Schrauben herum. Alle zehn Schrauben waren abgerissen, die einmal den Differentialkorb mit dem Tellerrad verbanden. Daher bauten sie das Differential komplett aus und zerlegten es, damit alles gründlich gereinigt werden konnte. Um 22:00 Uhr lag das Differential in Einzelteilen in der Werkstatt und es war Feierabend.

Am nächsten Tag machte sich ein Einkäufer auf den Weg in das 230 Kilometer entfernte Posadas, der nächsten großen Stadt, wo es einen Laden für Spezialschrauben gab. Dort besorgte er nicht nur zehn Schrauben für das Differential, sondern auch noch acht von den Schrauben, mit denen der Koffer angeschraubt ist. Während die Mechaniker unter dem Fahrzeug lagen, entdeckte ich nämlich eine weitere abgerissene Schraube an der Kofferaufhängung. Von den sechzehn Schrauben fehlten von Anfang an bereits zwei. Im August 2009 rissen dann in Brasilien zwei und jetzt die dritte Schraube. Das hieß, der Koffer wurde nur noch von elf Schrauben gehalten, was mir etwas zu wenig war. Das Problem ist wahrscheinlich, dass der Rahmen sich mehr verwindet, als Bremach angibt, und deshalb der Koffer doch eine richtige Lagerung benötigen würde.

Um 21:00 Uhr kam der Einkäufer aus Posadas zurück und hatte alle Schrauben dabei. Die neuen Schrauben für das Differential hatten sogar eine um zwanzig Prozent höhere Festigkeit, damit sie nicht wieder abreißen. Das inzwischen gereinigte Differential war schnell zusammen und wieder eingebaut. Kurz nach Mitternacht machte ich gemeinsam mit dem Mechaniker eine kleine Probefahrt durch den schlafenden Ort. Glubschi war wieder fahrbereit! Zum Glück hatten die abgerissenen Schrauben kein größeres Unheil angerichtet!

Von diesem kleinen Flitzer ließ Glubschi sich abschleppen...

...bis vor diese kleine Werkstatt (rechts steht der Chef der Werkstatt und des Abschleppdienstes)

Da stand Glubschi nun, bewegungsunfähig...

...ohne hinterem Differential...

...und ohne Antriebswellen

Diese kleinen Schrauben verbanden einmal den Differentialkorb mit dem Tellerrad...
(eine weitere befand sich auf einer 230 km langen Reise nach Posadas, als Muster)

...sie haben eine ganz schön tiefe Riefe im Differentialgehäuse...

...und ein paar kleine Scharten am Differentialkorb hinterlassen, der Rest war unbeschädigt

Hohenau, 3. Juni bis 31. August 2011

Mit nur einem Tag Verspätung kam ich endlich in Hohenau an und war sehr positiv überrascht. Die Besitzer Ruben und Carla und ihre vier Söhne waren total liebe Leute. Der Großvater von Ruben wanderte einst von Deutschland nach Brasilien aus. Dessen Sohn, also Rubens Vater, wanderte dann von Brasilien nach Paraguay aus. Trotzdem sprachen alle, bis auf den kleinsten Sohn, immer noch perfekt Deutsch. Auch in Hohenau gab es noch viele Einwohner, die ebenfalls Deutsch sprachen. Eine richtige kleine deutsche Kolonie. Aber nicht nur Deutsche hatte es hierher verschlagen. Im Umkreis von 100 km gab es noch eine brasilianische, eine italienische, eine russische und eine japanische Kolonie. Ob es wohl irgendwo richtige Paraguayaner gab?

Auch der Campingplatz gehörte mit zu den Besten, die es in Südamerika gab. Ruben besaß insgesamt 220 Hektar Land. Auf einem kleinen Teil davon hatte er eine tolle Freizeitanlage geschaffen: zwei Swimmingpools, ein Sportplatz, Bar und Restaurant, Grillplätze, Versammlungsraum und eben den Campingplatz mit super Sanitäranlagen. Außerdem hatte er WiFi, einmal unten im Restaurant und über eine große Antenne oben beim Versammlungsraum. Da ich der einzige Gast war, durfte ich mich hinstellen, wo ich wollte. Das Beste aber, neben einem schönen, sonnigen Platz mit WiFi gab es Mittags auch etwas zu Essen. Jeden Tag außer Montag, an dem sie Ruhetag hatten, kochten sie für sich und ich konnte für wenig Geld mitessen. Einfach perfekt! Hier konnte ich mich ganz auf die Arbeit konzentrieren und das Projekt abschließen.

Hohenau, August 2011

August, tiefster Winter in Südamerika, und das Wetter im Süden Paraguays war ... abwechslungsreich. Mal gewitterte es, dass man meinte die Welt ging unter, dann schüttete es, dass man knöcheltief im Wasser stand, und mit 16° war es etwas frisch. Nach ein paar Tagen kam endlich wieder die Sonne raus, aber es war nur noch 10°, windig und rattig kalt. Noch ein paar Tage später, die Sonne hatte beschlossen ein Brikett aufzulegen, zerfloss man bei 32° im Schatten. Danach fing alles wieder von vorne an: Regen, Gewitter, Kälte, Hitze, ein ewiger Kreislauf.

Winter im Süden Paraguays, die Wiesen strahlen gelb...

...die Zitronenbäume biegen sich unter der Last der Früchte...

...und die Blumen stehen in voller Blüte ... im Winter?

Die Blattschneideameisen waren auch schon wieder fleissig

Der Fluß bildete die Grenze von Rubens Grundstück

Teile der 220 Hektar waren noch dicht bewaldet

Auf einmal, ein kleiner Unterstand am Flußufer...

...darin ein Sitzfahrrad...

...mit dem man über den Fluß radeln konnte

Kakteen? Hier? Dass die nicht ertrinken?

Kann ich gut verstehen, dass die Kühe nicht daran knabbern