Nach einer Nacht mit Schnee in Trinidad verließen wir die Interstate 25 und fuhren auf dem Highway 350 nach La Junta. Bereits auf dem Weg nach Trinidad machten die Vorderreifen ein dröhnendes Geräusch, das ich aber auf den groben Straßenbelag schob. Als auf dem Weg nach La Junta das dröhnende Geräusch verschwand, obwohl sich der Straßenbelag nicht geändert hatte, wurde ich misstrauisch. Nach einer Weile kam es mir so vor, als wenn das rechte Vorderrad ein Eigenleben führte. Ich stoppte und ließ Ariane langsam das Lenkrad bewegen, sah aber nichts auffälliges. Auf dem Walmart Parkplatz in La Junta legte ich mich kurz unter Harry, konnte aber nichts verdächtiges entdecken. Am nächsten Morgen kamen wir noch 10 km weit bis kurz vor Rocky Ford, dann war klar, dass etwas absolut nicht stimmte. Beim Fahren machte es Geräusche, als wenn die Kugeln eines Radlagers heraus fielen und gegen den Unterboden prallten. Ich fuhr an den Straßenrand, was leider das Ende des Beschleunigungsstreifens einer Auffahrt war, und schaute mir die Sache nochmals an.
Das sah nicht gut aus. So konnten wir keinen Meter mehr fahren. Also mal wieder einen Abschleppwagen rufen. Das war jetzt das dritte Mal! Mit Glubschi hatte ich bloß einmal einen Abschleppwagen gebraucht, als mir das erste Mal das hintere Differential Probleme machte. Diese Ami-Möhren waren einfach der letzte Dreck! Wenigstens hatten wir Roadside Assistance und das Abschleppen kostete uns nichts. Eine Werkstatt zu finden war nicht einfach. In Rocky Ford gab es eine kleine Werkstatt, die normalerweise nicht an Wohnmobilen arbeitete und wo Harry auf der Straße gestanden hätte. Was eigentlich kein Problem wäre, wenn wir nicht nach Deutschland gemusst hätten. Da Teile für Harry immer schwer zu besorgen sind, hätte das bedeutet, dass das Wohni dort vier Wochen am Straßenrand gestanden hätte. Kein guter Plan. Die nächste Werkstatt mit großem Grundstück war in Pueblo, aber die waren so beschäftigt, die hätten erst in 10 Tagen schauen können was kaputt ist. Außerdem machten die um 16:30 Uhr zu und unser Abschleppwagen sollte erst um 18:00 Uhr kommen. Wir hätten Harry vor dem Grundstück auf der Straße abstellen können, aber die hatten keine Möglichkeit das Wohni auf ihr Grundstück zu bewegen. Also auch keine Option. Der Typ von der Roadside Assistance empfahl uns einen Laden die bis Mitternacht offen hatten, eine Kette die auf Kenworth LKWs spezialisiert waren. Das gefiel uns zwar nicht so, aber zumindest würde Harry auf dem Hof stehen und wir konnten ihn bis zu unserer Rückkehr aus Deutschland dort lassen. Das war wohl das kleinste Übel.
Also ließen wir uns zu MHC Kenworth schleppen. Die waren recht freundlich und versprachen uns, dass jemand am nächsten Morgen um 10:00 Uhr schauen würde, was kaputt gegangen war. Um 10:00 Uhr war natürlich keiner da. Also schaute ich ins Büro und sah, dass die einen Stundensatz von $195 hatten. Wow, ganz schön teuer! Ich sprach mit dem Service Manager und der versprach uns einen Mechaniker für 12:00 Uhr. Der natürlich auch nicht kam. Dann vielleicht um 14:00 Uhr? Aber um 15:30 Uhr wirklich. Um 16:00 Uhr kam endlich ein Mechaniker angeschlappt, arbeitete ca. 25 Minuten und kam dann zu uns. Er meinte wir hätten wirklich Glück gehabt. Noch etwas weiter und das linke Vorderrad wäre abgefallen und das Wohni hätte sich überschlagen. Dafür war der Schaden deutlich größer als erwartet: die ganze Nabe incl. Halterung für den Bremssattel, die ganze Trommel incl. Bremsscheibe, der Bremssattel und natürlich auch die Radlager auf beiden Seiten. Für einen Kostenvoranschlag war es jetzt natürlich zu spät, die ganzen Teilelieferanten hatten bereits geschlossen. Wir hatten schon alles zusammen gepackt, als es auf einmal hieß, wir müssten die offene Rechnung begleichen, bevor wir zu unseren Freunden nach Denver fahren konnten. Was für eine Rechnung? Für die ½ Stunde? Ehrlich? Jetzt stellte sich heraus, was für Verbrecher das waren. Die wollten $270 für 1½ Stunden Arbeit haben. 1½ Stunden? Der Mechaniker hatte doch bloß eine ½ Stunde gearbeitet. Ich diskutierte mit dem Service Manager und der mit seinem Chef. Am Ende wollten sie immer noch $197,60 für 1 Stunde Arbeit. Solche Betrüger! Aber wir mussten los und daher bezahlten wir. Als ich die Rechnung sah, wurde ich noch wütender. Die hatten nur Posten kostenlos gemacht, die sie gar nicht gemacht hatten.
Denver, 22. bis 26. April 2021
Immerhin kamen wir noch wie geplant am 22. in Denver an und konnten die Katzen schon mal an ihre neue Umgebung gewöhnen. Dann hieß es Koffer packen, einen COVID-19 Schnelltest für die Einreise nach Deutschland machen und schon saßen wir am 26. April im Flieger nach Deutschland. Bis auf kleinere Verspätungen beim Abflug und beim Umstieg in Dallas lief alles ohne Probleme und wir kamen wie geplant am 27. April gegen 13:00 Uhr bei Arianes Mutter an.
Durmersheim, 27. April bis 21. Mai 2021
Am 29. April schauten Margot & Volker vorbei. Sie waren auf dem Weg von Griechenland zurück nach Hamburg. Es war schön die beiden wieder zu sehen. Schade, dass sie bloß drei Tage bleiben konnten. Wir hatten sie zuletzt 2019 gesehen, als wir sie beim letzten Deutschlandbesuch in Hamburg besuchten. Zum Glück hatten sie ihr eigenes Haus dabei, sodass wir uns um COVID-19 und geltende Beschränkungen keine Sorgen machen mussten.
Die Leute von MHC Kenworth waren auf die Entfernung genauso unzuverlässig wie vor Ort. Am 3. Mai schrieb ich ihnen eine Mail, um zu erfahren wie es mit dem Kostenvoranschlag für die Reparatur lief. Darauf reagierte natürlich keiner. Dann versuchte ich es mit täglichen Telefonanrufen, was bloß dazu führte, dass ich auf spätere Rückrufe vertröstet wurde, die natürlich nie erfolgten. Am 12. Mai wurde ich dann endlich zu dem verbunden, der die Ersatzteile besorgen sollte. Der hatte schlechte Nachrichten für uns: er konnte die Nabe incl. Halterung für den Bremssattel nicht besorgen. Er wollte die nächsten Tage noch einige andere Läden versuchen oder eventuell eine Werkstatt auftreiben, die die Nabe reparieren könnte. Dann herrschte wieder Funkstille, bis ich am 18. Mai nochmals per Mail nachfragte wie der Stand der Dinge war. Wenigstens antwortete er schnell, aber die Antwort gefiel uns nicht: kein Fortschritt, noch immer keine Lösung für unser Ersatzteilproblem. Ariane hatte zwischenzeitlich ebenfalls nach einem passenden Ersatzteil gesucht, konnte aber bloß eine komplette Vorderachse von einem Schrotthändler finden.
Mir wurde inzwischen klar, dass Harry keine Alternative mehr für unsere Reise war. Die Möhre war einfach unzuverlässig und die Ersatzteile immer schwieriger zu bekommen. Ich tendierte dazu einen ordentlichen Pickup zu besorgen, sprich einen Toyota, und einen Wohnwagen dahinter zu ziehen. So würden die mechanisch anspruchsvollen Teile nicht von unfähigen Amerikanern entworfen, sondern von fähigen japanischen Ingenieuren. Die Pickups würden immer noch von Amerikanern gebaut, aber meine Hoffnung war, dass die japanischen Fertigungsleute ihre Montageleute im Griff haben würden. Der Wohnwagen würde dann immer noch von Amerikanern entworfen und montiert, aber die waren so einfach aufgebaut, dass selbst Amerikaner das hinbekommen sollten. Ariane war nicht besonders begeistert von der Idee in einem Wohnwagen zu reisen, aber das Argument mit dem Toyota als Zugfahrzeug war nicht von der Hand zu weisen.
Daher verbrachte ich die Wartezeit damit, nach einem passenden Toyota zu suchen. Die Auswahl war nicht besonders groß, Toyota baute nur zwei Pickups. Meine erste Wahl wäre der Tacoma gewesen. Relativ klein, richtig geländegängig und nicht viel durstiger als RAVi. Leider konnte der bloß 2.900 kg ziehen und das hätte die Auswahl an möglichen Wohnwagen zu stark eingeschränkt. Also blieb nur der Tundra übrig. Deutlich wuchtiger, nicht ganz so geländegängig und mit einem 5,7l V8 nicht gerade sparsam. Aber der konnte zumindest 4.490 kg ziehen, was uns erlaubte alle Wohnwägen bis 25 ft (7,6 m) Länge zu berücksichtigen. Ich schrieb auch einige Händler in Colorado, New Mexico und Arizona an, aber alle winkten ab. Der Markt war leer gefegt und sobald ein Fahrzeug auf den Hof kam, war es in ein paar Tagen verkauft. Der Zeitpunkt auf ein anderes Gefährt umzusteigen war extrem ungünstig. Wegen den Lieferengpässen bei elektronischen Chips konnten die Hersteller kaum Fahrzeuge produzieren und wegen Covid kauften gerade alle wie blöd Wohnwägen und Wohnmobile und die Preise waren so hoch wie nie.
Inzwischen neigte sich unser Aufenthalt in Deutschland dem Ende zu. Um uns ordentlich zu begrüßen, fiel genau zu dem Zeitpunkt die Computeranlage von American Airlines aus, als wir am Check-in standen. Wir standen über drei Stunden und es stellte sich heraus, dass der Ausfall weltweit war. Dann stand noch ein Gepäckstück herrenlos herum und der Bereich wurde großflächig abgesperrt und eine Bombeneinheit musste das Gepäckstück untersuchen. Als das erledigt und der Check-in endlich wieder geöffnet war, fingen die Angestellten an die Tickets ganz altmodisch von Hand mit Kugelschreiber auszufüllen. Bis wir am Gate eintrafen, schienen die Computer wieder zu funktionieren, da wir neue Tickets ausgedruckt bekamen. Wenigstens verliefen der Flug nach Dallas, die Einreise in die USA und der Weiterflug nach Denver dann problemlos und wir kamen mit nur einer Stunde Verspätung an.
Denver, 21. Mai bis 28. Juni 2021
Das Wichtigste musste zuerst erledigt werden: ein Toyota Tundra musste her. Wir kamen am Freitag an und bereits am Samstag fuhr ich zu einem Händler der einen auf dem Hof stehen hatte. Einen SR5, Double Cab, Standard Bed, TRD-Off Road, aber in einem hässlichen Blau. Das wollten wir erstmal überschlafen. Am Montag fuhren wir zu einem anderen Händler, der einen SR5, Crewmax Cab, Short Bed, TRD-Sport in Weiß hatte. So gar nicht was wir uns vorgestellt hatten. Also kurz beim anderen Händler angerufen und erfahren, dass der blaue Tundra inzwischen verkauft war. Also zurück in den Laden und direkt den Weißen gekauft. Besser der als gar keiner.
Am nächsten Tag fuhren wir zu einem Laden der Topper für das Truck Bed verkaufte. Die Lage dort war nicht viel besser, der früheste Liefertermin für einen Topper wäre in zwei Wochen gewesen. Wie der Zufall so wollte, lag gegenüber ein weiterer Toyota Händler. Während wir um einen nahezu identischen weißen Tundra herum schlichen, kam ein Verkäufer an und fragte was wir suchten. Wir fragten, ob er nur diesen habe und er antwortete, dass der schwarze Tundra direkt daneben auch zu verkaufen sei. Das war ein SR5, Double Cab, Standard Bed, TRD-Off Road in einem schicken Midnight Black. Bis auf die Farbe eigentlich perfekt, wir hätten ihn gerne in Zement gehabt. Zu Schade, dass wir bereits den anderen gekauft hatten. Ariane meinte das sei kein Problem, wir könnten doch den Vertrag stornieren. Wie bitte? Ging das so einfach in den USA? Der Verkäufer meinte, dass das bei ihnen kein Problem wäre und wir sollten einfach mal den anderen Händler fragen. Wir versuchten den anderen Händler telefonisch zu erreichen, aber dort erwischten wir niemanden der das entscheiden konnte. Also fuhren wir hin und tatsächlich, der Händler stornierte den Vertrag ohne Diskussion und gab uns unsere Anzahlung zurück. Das war echt beeindruckend! Also schnell zurück zu dem Händler und den zweiten Kaufvertrag in zwei Tagen unterschrieben. Jetzt hatten wir also einen Pickup. Sogar einen der fast so war wie wir ihn wollten und auch noch etwa $3.000 billiger als der erste.
Nachdem das wichtigste erledigt war, fuhren wir am Mittwoch nach Pueblo, um mit MHC Kenworth darüber zu reden, wie es mit der Reparatur weiter gehen sollte. Als wir ankamen, stand Harry an einem anderen Platz am Rand des Geländes. Die offen stehen Klappenverschlüsse machten uns misstrauisch. Auf der anderen Seite waren auch alle Klappenverschlüsse offen. So konnten die Verschlüsse gar nicht stehen. Normalerweise springen die von selbst zurück. Und weshalb standen unsere ganzen Waschmittelvorräte sauber aufgereiht beim Hinterrad? Und wieso lag mein Rucksack daneben? Nachdem wir alles wieder verstaut hatten, gingen wir zur Eingangstür. Wieso war die nicht abgeschlossen? Drinnen sah alles soweit Ok aus, bloß der Teppich war total mit matschigen Fußabdrücken bedeckt.
Dann öffneten wir die Schränke und sahen die Bescherung. Jemand hatte alles durchwühlt und die seltsamsten Dinge mitgenommen. Unsere alten Pads, aber nicht die GPS Handhelds. Mein altes Notebook, aber nicht den Scanner. Sämtliche Duschbad, Deo und Zahnpasta Vorräte. Den billigen Trennschleifer, Stichsäge und Dremel, aber nicht das viel wertvollere Werkzeug. Die Müsliriegel haben sie vor Ort gegessen und die Verpackung in den Mülleimer geworfen. Die waren systematisch durch alles gegangen, haben einiges mitgenommen und dann die Schränke wieder ordentlich eingeräumt. Welche Diebe machen denn sowas? Wohl nur welche, die wissen dass sie unbeschränkt Zeit haben.
Wir riefen zügig die Polizei, damit wir Beweise für den Einbruch und den entstandenen Schaden hatten. Nachdem die Polizei weg war, stellte sich MHC Kenworth hin und wollte keine Verantwortung übernehmen. Das Gelände auf dem Harry stand gehöre nicht ihnen und überhaupt sei es nicht ihr Problem, wenn Fahrzeuge dort beschädigt und ausgeraubt wurden. Wenn sie jedem den Schaden erstatten würden, bei dem eingebrochen wurde, käme sie das viel zu teuer. Wie bitte? Es gab schon mehrere Fahrzeugeinbrüche und uns hatten sie erzählt Harry sei bei ihnen sicher? Das konnte wohl nicht sein. Das wenigste was wir von ihnen erwarteten, war dass sie den Schaden an den Klappenverschlüssen bezahlten! Das lehnten sie rundweg ab und boten uns aus Kulanz $100. Das war eine Beleidigung. Ich überschlug kurz, dass alleine die Schlösser schon $500 kosteten und dann noch Einbau usw. Das mindeste wären $1.200. Nach einer hitzigen Debatte boten sie uns $600, was wir ebenso ablehnten.
Wie ging es jetzt mit der Reparatur an Harry weiter? Sie zerlegten nochmals die Vorderachse an der Fahrerseite, um den Schaden genauer anzusehen. Diesmal kamen sie zu einem ganz anderen Ergebnis. Eigentlich war alles in Ordnung bis auf die Radlager und die Halterung des Bremssattels. Die Halterung hatte einen kleinen Riss und deshalb musste die Nabe incl. Halterung ausgetauscht werden, die sie aber nicht besorgen konnten. Das war nicht recht viel besser als vorher und so zogen wir unverrichteter Dinge wieder ab. Am Montag den 31. Mai erhielten wir dann einen Anruf von MHC Kenworth: angeblich hatten sie eine Firma gefunden, die den Riss in der Halterung des Bremssattels schweißen konnte. Die ganze Reparatur incl. Austausch der Radlager auf beiden Seiten würde uns $1.800 kosten. Ehrlich? Auf einmal konnte der Halter geschweißt werden, obwohl sie uns die ganze Zeit erzählt hatten, dass man das Teil nicht schweißen könne? Das erschien uns unglaubwürdig.
Wir hatten bereits entschieden, dass wir Harry nicht mehr reparieren lassen würden, und diese Art der Reparatur bestärkte uns in dem Beschluss. Wir würden nicht mit einem Fahrzeug fahren, in dem ein Teil der Bremsanlage geschweißt ist. Genauso wenig würden wir ein Fahrzeug verkaufen, in dem ein Teil der Bremsanlage geschweißt ist. Wenn den Käufern irgendetwas passieren würde, weil die Bremsanlage ausfiel, würde eine riesige Klage auf uns zukommen. Das Risiko wollten wir auf keinen Fall eingehen. Lieber verkauften wir Harry unrepariert mit einem größeren Verlust und hatten dafür keine Verantwortung. Ariane machte über verschiedene Kanäle bekannt, dass wir ein nicht fahrfähiges Wohnmobil zu verkaufen hatten und fand tatsächlich einen Käufer der am 4. Juni zur Werkstatt kam und Harry für $4.500 kaufte. Die ließen es dann tatsächlich bei MHC Kenworth wie uns vorgeschlagen reparieren. Das war jetzt das Problem von MHC Kenworth und den Käufern. Nicht mehr unseres.
Wir hatten zwischenzeitlich unseren neuen Wohnwagen gefunden. Einen 1999er Airstream Safari mit 23 ft Länge. Ariane hatte am 27. Mai um 22:00 Uhr das Inserat auf Facebook Marketplace gefunden und den Besitzer gleich angeschrieben. Der antwortete am nächsten Morgen und wir machten einen Termin für den gleichen Tag am Nachmittag aus. An dem Freitag fuhren wir zu mehreren Wohnmobilhändlern und schauten was die auf Lager hatten. Es sah schlecht aus. Gebrauchte Wohnwägen gab es so gut wie keine und die Neuen waren entweder zu kurz oder zu lang oder hatten Stockbetten oder waren bereits verkauft und warteten darauf, dass die neuen Besitzer sie abholten. Wir waren so frustriert, dass wir auf dem Weg zur Besichtigung beschlossen, dass wir den Airstream auf jeden Fall nehmen würden, wenn es kein totales Wrack war.
Wir kamen um 17:00 Uhr an und der Verkäufer machte einen sympathischen und vertrauenswürdigen Eindruck. Auch der Airstream machte auf Anhieb einen guten Eindruck. Er hatte zwar ein paar Dellen, der matte Lack begann sich an einigen Stellen zu lösen, die Markise war kaputt und die Reifen waren von 2015 und mussten ersetzt werden, aber davon abgesehen sah alles ganz ordentlich aus. Ariane zückte ihr Smartphone und recherchierte die Preise für die anfallenden Reparaturen. Sie kam auf grob geschätzte $4.500 und schlug dem Verkäufer vor, dass wenn er den Preis um den Betrag reduzierte, wir den Airstream nehmen würden. Er akzeptierte und wir machten sofort einen Kaufvertrag und eine Anzahlung von $1.000, damit uns kein anderer Interessent mehr zuvor kam. Wir vereinbarten, dass wir Samstags zur Inspektion kommen würden, um die gesamte Technik auf Funktion zu überprüfen.
Die Inspektion ergab nur wenige Probleme. Die Radlager mussten abgeschmiert und angezogen werden, der Boiler brauchte eine neue Steuerungsplatine. Die Platine würde etwa $100 kosten und die Wartung der Radlager etwa $240. Das war in den kalkulierten $1.000 für Kleinkram und daher mussten wir nicht nachverhandeln. Mit $24.000 war der Airstream nicht gerade ein Schnäppchen, aber in der jetzigen Zeit konnte man froh sein, wenn man überhaupt einen akzeptablen gebrauchten Wohnwagen finden konnte. Da es Samstag war, hatten die Banken bereits geschlossen und wir konnten keinen Barcheck mehr bekommen. Wir vereinbarten, dass wir am Mittwoch mit dem Barcheck kommen und dann den Fahrzeugbrief erhalten würden.
Unglaublich, wir waren gerade mal acht Tage zurück in den USA und hatten bereits ein Zugfahrzeug und einen Wohnwagen gekauft. Wir hatten nicht gedacht, dass es so schnell gehen würde.
Der Verkäufer war so nett und ließ uns den Airstream auf seinem Grundstück parken, während wir daran arbeiteten. Es gab einiges zu machen. Der alte Teppich musste raus und durch Vinyl-Laminat ersetzt werden. Die alte Matratze musste weg. Die Elektrik musste umgebaut werden, damit die Batterien geladen wurden, wenn Strom angesteckt war, und alle Steckdosen mit Strom versorgt waren, wenn wir frei standen. Das führte zu mehreren Problemen: wir würden die nächste Zeit keine Matratze mehr haben, weil die neue Matratze 12 Wochen Lieferfrist hatte; es war nicht einfach Vinyl-Laminat zu finden – was auf Lager war, war hässlich, was nett anzusehen war, hatte mehrere Wochen Lieferfrist. Wir konnten das Wort Lieferfrist nicht mehr hören. Gab es irgendetwas in den USA was noch funktionierte? Nach mehreren Tagen Suche fanden wir dann ein Vinyl-Laminat das akzeptabel UND auf Lager war.
Zuerst rissen wir den alten Teppich raus, reinigten die stoffbespannten Wände mit einem Naßstaubsauger und putzten alles ganz gründlich. Danach bauten wir die Elektrik um und verlegten das Vinyl-Laminat. Das alles dauerte deutlich länger als geplant: drei Tage zum Entfernen des Teppichs mitsamt Unterpolsterung, drei Tage zur gründlichen Reinigung, einen Tag zum Umbauen der Elektrik und drei Tage zum Verlegen des Vinyl-Laminats. Das Ganze während der Großraum von Denver eine Hitzewelle mit Temperaturen um die 35°C erlebte.
Nach drei Wochen waren wir soweit. Wir konnten den Airstream an den Tundra hängen, eine kleine Probefahrt um den Block machen und das rückwärts Einparken üben. Gleich beim ersten Mal rückwärts Fahren schlug ich das Lenkrad zu stark ein und plötzlich machte es laut Knirsch. Der Airstream und der Tundra standen fast rechtwinklig zueinander und der Steinschlagschutz des Airstream hatte einen kleinen Kratzer im Bremslicht des Tundra hinterlassen. Das rief den Vater des Verkäufers auf den Plan, der das Geräusch gehört hatte. Er nahm sich die Zeit uns zu erklären, wie das rückwärts Fahren mit einem Hänger funktioniert und worauf man zu achten hatte. Er erklärte was man machen musste, ließ mich ein Stück fahren und zeigte mir dann was das für Auswirkungen hatte. So fuhren wir Stück für Stück zurück in den Stellplatz, bis wir wieder richtig standen. Dann fuhren wir nochmals in der anderen Richtung um den Block und parkten alleine wieder ein. Diesmal klappte es deutlich besser, aber wir hatten noch einiges zu lernen, bis es wirklich gut gehen würde.
Die erste Etappe führte uns zum Haus unserer Freunde, die mitten in Denver in einer kleinen Seitenstraße wohnten. Die Straßen waren relativ schmal und wir mussten häufig abbiegen, bis wir bei ihnen ankamen. Das Fahren mit dem Airstream war relativ entspannt, bloß auf der Interstate mit dem hoppeligen Betonbelag merkte man, dass etwas am Tundra zerrte. Das rückwärts Einparken in die riesige Lücke direkt vor ihrem Haus klappte erstaunlich gut. Da hatte sich das Training richtig rentiert! Die nächsten Tage verbrachten wir damit, den Airstream und die Ladefläche des Tundra voll zu laden.
Boulder County Fairgrounds, 28. Juni bis 7. Juli 2021
Die Boulder County Fairgrounds lagen um die Ecke von wo wir Sara gekauft hatten, es war also nicht besonders weit zu fahren. Nach dem hektischen letzten Monat hatten wir uns eine kleine Pause verdient, bevor wir noch ein paar Arbeiten erledigen mussten. Auf der Fahrt hierher hatte sich der untere hintere Halter der Markise weiter verbogen. So wollten wir keine längere Strecke fahren. Ariane telefonierte etwas herum, was wir mit der Markise machen konnten. Die meisten meinten, dass sie komplett durch eine neue Markise ersetzt werden musste. Ein Händler in Arizona machte den Vorschlag, dass wir die Arme, die Halter sowie die Stoffabdeckung aus Aluminium mitbringen sollten. Der Stoff war bereits gerissen und musste ersetzt werden und die Rolle war aus Stahl und veraltet. Also bauten wir die Markise ab, verschenkten den Stoff und entsorgten die Rolle. Den Rest verstauten wir auf Yoda’s Pritsche.
Als nächstes montierten wir die vier neu gekauften und das eine seit Jahren spazieren gefahrene Solarpaneel. Da der Airstream ein gewölbtes Dach hatte, wollten wir es mit flexiblen Paneelen versuchen. Auf der Unterseite der Paneele befestigten wir eine gewellte Kunststoffplatte (sieht aus wie Pappe, bloß aus Plastik), damit sich etwas Luft zwischen den Paneelen und dem Dach befand. Dann wurde das Paket mit Eternabond auf das Dach geklebt. Der größte Aufwand war, das Kabel durch die Entlüftung des Kühlschranks nach innen zu bringen. Dazu musste der Kühlschrank ausgebaut werden, da die Entlüftung wegen der Wölbung der Außenwand nach innen versetzt montiert war. Das Aufkleben der Paneele und die Verdrahtung danach war ein Kinderspiel.
Einer der Vorbesitzer hatte einen MidNite Solar KID Solarregler eingebaut, den wir wieder verwendeten. Dieser konnte angeblich eine Eingangsspannung von 150V verkraften sowie einen Ladestrom von 30A liefern. Bei fünf 100W Solarpaneelen in Reihe sollte die Eingangsspannung 105V sowie der maximale Ladestrom 29A betragen. Das sollte der Regler gerade so verkraften können. Sollte der Regler nichts taugen, konnten wir ihn später immer noch durch einen Victron MPPT 150/35 ersetzen.